(Von Frank Zeller)
Über die Sommermonate macht der Ligabetrieb eine Pause. Zwar gibt es Open und Schachfestival zuhauf, meist im Ausland, doch bevorzugt zieht es die Leute ins Freie, Sonnenstrahlen genießen, im Biergarten sitzen oder dergleichen. Sport treibt man auf dem Tennisplatz oder guckt sich die Fußball- EM in HD auf Breitleinwandformat an.
Und doch sind die Funktionäre hinter den Kulissen aktiv. Man knüpft Beziehungen, fragt hier und dort an, hört und kuckt sich um, wägt ab und kommt ins Gespräch. Plötzlich ist er da – der Bombentransfer. Zwar nicht mit Millionen Ablösesummen wie im lieben Fußball, aber doch auch mit Wucht und Durchschlagskraft.
Öfters mal wurde das Ende der Schachbundesliga prognostiziert. Zu hochgerüstet, zu viele Kosten, zu hoher Standard, dagegen wenig Nährwert für Sponsoren. Und doch: es geht immer weiter! Neue Teams drängen nach vorne, sitzen schon in den Startlöchern der zweiten Liga oder sind gar schon in die erste aufgestiegen. Die Deutsche Superliga nimmt an ihrer Potenz und Strahlkraft nicht ab – ganz im Gegenteil!
Auf den einschlägigen Internetseiten konnte man schon von etlichen hochkarätigen Neuverpflichtungen lesen:
Die größte Bombe ließen dabei die Schachfreunde Berlin verlauten. Die Berliner, sonst immer eine Mannschaft, die in großen Abstiegssorgen verkehrte, spielten zuletzt eine blendende Saison und schlossen mit ihrer BESTEN PLATZIERUNG EVER ab: Platz 5, knapp hinter uns Hallern!
Und sie wollen in der kommenden Saison am besten noch höher hinaus, denn Berlin ist der Ausrichter der zentralen Endrunde!
Jetzt kommt`s: die Berliner haben neuerdings keinen Geringeren in ihrem Kader als Toppy – Veselin Topalov himself!
Beim Sinquefield-Cup 2014 bekam Topalov hinterher von Carlsen gesagt, wie er hätte gewinnen können!
Freilich heißt das nicht, dass man den ehemaligen FIDE-Weltmeister auch live in der Liga erleben wird; oft erwiesen sich furchteinflößende Namen als reine Papiertiger. Aber die Drohung ist bekanntermaßen mindestens so stark wie die Ausführung, das kennt man unter Schachspielern. Und wer weiß, der ideale Termin für Toppy wäre sicherlich die Heimrunde Ende April, Anfang Mai 2017 in Berlin, wenn alle Mannschaften vor Ort sein werden und es um die Medaillen gehen wird. Wir freuen uns schon darauf! Schön, dass es a) wieder eine gemeinsame Schlussrunde gibt und die b) noch in einer Weltstadt wie Berlin stattfinden wird und bei der c) das erste Mal auch die Frauenbundesliga dabei sein wird!
Fast zur gleichen Kategorie gehört ein weiterer ganz Großer des Weltschachs, Wassili Iwantschuk. Aus Trier kam die Meldung, dass unter Vermittlung des Remagener Teamchefs Peter Noras die Verbindung zustande kam. Iwantschuk spielte vor ein paar Jahren für Remagen in der 1. Liga, nun wollen die Trierer mit den Remagenern gemeinsame Sache als Vertreter von Rheinland-Pfalz machen.
Von den badischen Vertretern ist zuvorderst Hockenheim zu nennen, die mit den spektakulären Verpflichtungen von Nikita Vitjugov und Baadur Jobava aufwarten.
Unser Reisepartner Dresden will auch wieder anpacken. Während viele Teams auf ausländische Stars setzt, suchten die Dresdener im eigenen Lande nach passende Verstärkungen und holten die Deutsche Nummer Eins der Herren sowie der Damen an die Elbe: Liviu-Dieter Nisipeanu sowie Elisabeth Pähtz. Nisipenau spielte jahrelang für Baden-Baden, doch da war für den Spieler mit der langen Mähne immer nur ein hinteres Brett zu haben, in Dresden darf er vorne ran.
Auch scheinen die Baden-Badener nachgerüstet zu haben – kein Wunder, zum ersten Mal nach zehn Jahren wurde ihnen von Solingen der Titel weggeschnappt, da will man an der Oos doch sicherstellen, dass man in der kommenden Saison der Erfolg wieder in die Spur kommt. Sicher ist noch nicht, wer für Baden-Baden auflaufen wird, Magnus Carlsen, Vishi Anand und Levon Aronjan sind seit Jahren gemeldet, kamen aber so gut wie nie zum Einsatz. In der DZW-Liste des Vereins erscheinen mittlerweile auch noch Maxime Vachier-Lagrave sowie Fabiano Caruana!
Mittlerweile bei den Superstars fest etabliert ist Maxime Vachier-Lagrave (l.)
Nicht mal die Aufsteiger halten hinterm Zaun, dass sie ein gehöriges Wörtchen mitreden wollen, insbesondere der DJK Aachen! Die haben gleich drei großmeisterliche Neuzugänge zu verzeichnen:
Mit Jorden van Foreest einen jungen, vielversprechenden Holländer, das liegt bei Aachens Lage an der Grenze nahe. Aber überraschend sind zwei Personalien aus einem Kontinent, der bislang noch mehr als unterrepräsentiert war: Latein-Amerika. Zwei der besten Spieler Südamerikas bereichern die Liga, der Peruaner Julio Granda Zuniga sowie der Venezuelaner Eudardo Iturrizaga Bonelli! Zwei klingende Namen, vor allem freue ich mich auf Granda Zuniga, einer der schillerndsten Figuren in der internationalen Szene: in einer armen Großfamilie aufgewachsen ist er einer der größten Naturtalente. Computer kennt er nicht, jahrelang zog er sich vom Schach zurück und war Bauer, nun ist er wieder da, lebt in Spanien und kratzt mit Ende 40 noch an der Schallmauer von 2700, ein einfach unglaublicher Kerl!
Der beste Naturschachspieler der Welt: Julio Granda Zuniga
Die kommende Saison verspricht extrem interessant zu werden. Los geht es im Oktober, Stichtag für die Abgabe der Kader wird der 1. August, also in zwei Wochen, sein. Mal sehen, wie Hall dann besetzt sein wird…