Es ist ein Event der Superlative im Berliner Maritimhotel. Stars der Schachszene, wo man hinschaut, und beide Schwäbisch Haller Teams mitten drin. Die Männer gewannen unspektakulär gegen Reisepartner Dresden, die es ihnen mit einer recht schwachen Aufstellung leicht machten, die Frauen gewannen nach dramatischer Partie hauchdünn 3,5-2,5 gegen Deizisau und stehen dicht vor dem Titel.
Die einzigen Dissonanzen, die es gab, bezogen sich auf das Eintrittsgeld, da es nur 3 zusätzliche Karten pro Team gab und so auch teilweise Ersatzspieler der Mannschaften Eintritt zahlen mussten. Insbesondere der Bad Königshofener Kapitän Jürgen Müller ärgerte sich darüber und erwog sogar kurz einen Rückzug der Mannschaft, ließ sich aber dann von seinen Spielerinnen überzeugen, doch anzutreten. Da hätte man sich mehr Fingerspitzengefühl vom Ausrichter gewünscht.
Die Aufmerksamkeit konzentrierte sich zu Beginn auf die Superstars der Szene: Baden Baden trat mit Vishi Anand und Levon Aronjan an, auch Fabiano Caruana wurde schon in der Hotelhalle gesichtet.
Die Haller Herren trafen auf Reisepartner Dresden. Die Dresdner hatte sich am Vorabend beim Schnellturnier in Kreuzberg warmgespielt, jedoch ging das Turnier bis nach Mitternacht, aber die Samstagsrunde begann ja erst um 14:00, also war genug Zeit zum Ausschlafen. Von den Topspielern hatte Dresden nur Liviu Dieter Nisipeanu am Start, der auf Viktor Laznicka traf. Kapitän Harald Barg hatte bei dieser Partie bald etwas Sorgenfalten auf der Stirn und war über den baldigen Remisschluss entsprechend froh. Für ein wenig Aufregung bei dem Team der Lievübertragung sorgte nur, dass Viktor nach der Partie sein Wasserglas über Tigran Gharamians Brett lehrte und damit die Übertragung kurzzeitig durcheinander brachte.
Matthieu Cornette stand schon früh mit Mehrbauern ohne erkennbare Kompensation auf Gewinn, außerdem gewann Evgeni Postny. Nach weiteren Remisen war der Kampf früh entschieden, nur Frank Zeller mühte sich lange mit Minderqualität in unübersichtlicher Stellung, verlor aber am Ende zum 4,5-3,5 Endstand. Heute geht es nun um Platz 2 gegen Hockenheim, die allerdings Favorit sind. Man wird sehen, ob Ex-Weltmeister Anatoli Karpov am Brett sitzen wird, gestern gab er gut gelaunt Autogramme. Damit hatte Matthieu Zeit, seiner Frau Deimante Daulyte zuzuschauen, dazu unten mehr.
Doch jetzt zu den Frauen, dort ging es deutlich spannender zu. Reisepartner Deizsau trat in der erwarteten Aufstellung an, derselben wie am vergangenen Spieltag, und es wurde ein äußerst enges Match.
Die ersten Entscheidungen fielen in der Zeitnotphase. Hanna Marie Klek gewann gegen Iva Videnova und sicherte sich mit diesem Sieg den eigentlich schon lange überfälligen WGM-Titel. Nachdem sie schon in der 2. Bundesliga der Männer eine Norm geschafft hatte, gelang ihr das Kunststück jetzt in der gleichen Saison auch bei den Frauen, und ihre erste Norm hatte sie schon vor einigen Jahren geholt.
Den Ausgleich schaffte Jovana Rapport gegen Mara Jelica, indem sie ihren Mehrbauern im Springerendspiel verwertete. Zu diesem Zeitpunkt lag aber ein weiterer Rückstand für Schwäbisch Hall in der Luft, Yuliya Naiditsch nutzte gegen Lela Javakhishvili einen taktischen Fehler aus und spielte mit einer Mehrfigur, und der Sieg war nur noch eine Frage der Zeit, obwohl sich die Partie noch lange zog. Nach einem Remis an Brett 2 liefen noch 2 Partien: die Schwäbisch Haller Mrs 100% Deimante Daulyte (6/6) hatte zwar einen Läufer mehr, aber nur noch einen Bauern übrig, und die Stellung sah eher wie eine Endspielstudie als wie eine normale Partiestellung aus. Und Petra Papp hatte gegen Natalia Straub ein kompliziertes Turmendspiel auf dem Brett, und wie man ja weiß, sind Turmendspiele „immer remis“. In der entscheidenden Phase waren die Partien dicht von Zuschauern umlagert, da jedem klar war, dass hier die wichtigste Entscheidung im Saal fallen würde. Zudem ging den Spielerinnen langsam die Zeit aus – bei den Damen wird ja im Gegensatz zu den Herren mit der „kurzen“ Fischer-Zeit gespielt, und die Nervosität war gerade bei den Schwäbisch Haller Spielerinnen und noch mehr beim Betreuerstab und den schon fertigen Spielerinnen nicht zu übersehen.
Enormer Zuschauerzuspruch bei den letzten beiden Partien
Doch am Ende gelang es beiden Spielerinnen, die Partien zum hauchdünnen 3,5-2,5 Sieg zu gewinnen und das Tor zur Meisterschaft weit aufzustoßen. Beide Endspiele sind sicher auch für Endspiel-Guru Karsten Müller gerade aufgrund der hohen Bedeutung der Partien nicht uninteressant.
Jetzt geht es für Schwäbisch Hall „nur noch“ gegen die Tabellenschlusslichter Augsburg und München, und bei 2 Siegen würde die erste Meisterschaft für die Kocherstädter feststehen. Verfolger Baden Baden dagegen hat mit Rodewisch und Bad Königshofen noch zwei ganz starke Gegner vor der Brust.
“And now for something completely different”: im Hotel wird dieses Wochenende auch Bridge gespielt, und zwar die German Team Trophy, immerhin mit 4000€ Preisgeld dotiert. Natürlich für die SK-Bridge-Spieler um Mike Riedel und Gregor Krenedics sehr interessant