Am kommenden Wochenende ist es endlich so weit, die vor fast zwei Jahren im September 2019 begonnene Saison der Frauenbundesliga wird beendet. Von Freitag bis Sonntag werden die letzten drei Runden gespielt. Die Schwäbisch Haller Damenmannschaft tritt in Deizisau an, und dort wird sich auch entscheiden, wer deutscher Meister wird. Zunächst geht es am Freitagabend ab 18:00 gegen die SF Deizisau, dann am Samstag ab 14:00 gegen den SV Hofheim und zum Abschluss am Sonntagmorgen ab 9:00 im Spitzenspiel gegen Titelverteidiger SC Bad Königshofen möglicherweise um den nach 2017 zweiten Meistertitel für den SK Schwäbisch Hall. In Deizisau treffen die ersten Drei der Tabelle direkt aufeinander. Durch diese Konstellation hat die OSG Baden-Baden auf Platz 4 trotz des leichteren Restprogramms gegen Hamburg und Harksheide nur noch theoretische Titelchancen.
Anfang Februar 2020 konnte sich trotz der schon damals langsam aufziehenden Corona-Wolken noch niemand vorstellen, dass die letzten drei Runden der Frauenbundesliga erst mehr als 1,5 Jahre später gespielt würden, siehe auch das Titelbild dieses Beitrags mit der Schwäbisch Haller Mannschaft bei der letzten Doppelrunde in Lehrte Anfang Februar 2020. Die für Ende Mai geplante zentrale Endrunde in Berlin musste abgesagt werden. Das kurze Zeitfenster im Sommer 2020, in dem eine Austragung der Runden vielleicht möglich gewesen wäre, wurde verpasst. Mehrfach wurden Termine für die letzten drei Runden angesetzt, die alle aufgrund des andauernden Lockdowns abgesagt werden mussten. In einer Reihe von Videokonferenzen wurde dann der Termin Anfang September 2021 einvernehmlich vom DSB und den Mannschaftsführern der Vereine festgelegt. Alle Beteiligten waren sich einig, die Saison, wenn irgendwie möglich, sportlich zu beenden.
Die Begegnungen am kommenden Wochenende stehen natürlich immer noch ganz im Zeichen der Coronapandemie. Die kurzfristigen und häufig kaum nachvollziehbaren Änderungen der Coronaeinschränkungen durch die deutsche Politik halten die Verantwortlichen der Teams seit Wochen im Atem. Länder, aus denen Spielerinnen anreisen, werden auf die Liste der Risikogebiete gesetzt und wieder heruntergenommen, von der WHO anerkannte Impfstoffe werden von der EU nicht anerkannt, die Testregelungen und maximalen Raumbelegungen ändern sich fast wöchentlich und sind dazu nicht nur von Bundesland zu Bundesland, sondern sogar von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Daher muss das vorliegende schon sehr strenge Hygienekonzept des deutschen Schachbunds auch immer noch mit den jeweiligen lokalen Anforderungen abgeglichen werden. Dazu kommen Visa- und Reiseprobleme bei den ein oder anderen Spielerinnen. Zum Beispiel aus Belarus ist eine Einreise nach Deutschland zurzeit überhaupt nicht möglich. Und da alles noch nicht kompliziert genug ist für die Verantwortlichen, kündigte die GDL gerade einen einwöchigen Lokführerstreik an.
Im Moment sieht es so aus, dass für den SK Schwäbisch Hall eine schlagkräftige Mannschaft an den Start gehen kann, nachdem es eine Zeitlang sogar zweifelhaft gewesen war, ob man überhaupt sechs Spielerinnen zusammenbekommt. Es ist zu erwarten, dass es einigen anderen Mannschaften auch nicht besser ergeht. Insbesondere die ähnlich international aufgestellten Teams wie Bad Königshofen, Baden-Baden oder auch Rodewisch werden ähnliche Problem haben.
Eine weitere Unbekannte ist, dass es in vielen Teams Spielerinnen gibt, die seit langem keine Turnierpartie mehr am Brett gespielt haben. Die Profispielerinnen nutzten natürlich alle Möglichkeiten, die sich ihnen trotz Pandemie boten. Gerade im Ausland fanden letzten Herbst und diesen Sommer deutlich mehr Turniere als in Deutschland statt, wo fast alle Turniere mit wenigen Ausnahmen im Spitzenschachbereich den für Turnierveranstalter kaum zu erfüllenden Hygieneauflagen zum Opfer fielen. Gerade im Amateurbereich gab und gibt es in Deutschland nach wie vor fast keine Spielmöglichkeiten. Ein Großteil des Schachs hat sich ins Internet verlagert, unzählige Turniere finden online statt, allerdings ausschließlich mit verkürzter Bedenkzeit. Allerdings gibt es auch Spielerinnen, die das schnelle Spiel im Internet nicht besonders mögen und daher nur mit wenig Spielpraxis antreten werden.
Doch jetzt zu den Begegnungen am Wochenende. Die SF Deizisau stehen mit nur einer Niederlage gegen Baden-Baden punktgleich mit Schwäbisch Hall etwas überraschend auf Platz 3 der Tabelle. Das Brettpunkteverhältnis zeigt aber, dass viele Begegnungen nur sehr knapp gewonnen wurden. Schwäbisch Hall ist Favorit, aber Vorsicht ist geboten, in der Vergangenheit gab es schon knappe Ergebnisse. Insbesondere das hauchdünne 3,5-2,5 2017 in Berlin, das den Weg zum ersten Meistertitel des SK Schwäbisch Hall ebnete, ist den Verantwortlichen noch in Erinnerung. Die zur Zeit formstärkste Deizisauer Spielerin Hanna Marie Klek taucht in der Meldeliste erst an Position 7 auf. Sie gewann erst kürzlich überzeugend das German Masters vor der kompletten deutschen Spitze.
Am Samstag geht es ab 14:00 gegen den SV Hofheim. Hofheim ist eine reine Amateurmannschaft, die auf Platz 8 der Tabelle gut dasteht, aber hoffen muss, dass die bisher geholten 6 Punkte aufgrund der übermächtigen Gegner in den letzten drei Runden für den Klassenerhalt reichen.
Wenn Titelverteidiger Bad Königshofen und Schwäbisch Hall am Freitag und Samstag ihrer Favoritenrolle gerecht werden, kommt es am Sonntag zum großen Showdown zwischen beiden um die deutsche Meisterschaft. Die mögliche Aufstellung von Bad Königshofen gleicht einer Wundertüte. Es ist völlig unklar, welche Spielerinnen einreisen können, dies hängt ähnlich wie bei Schwäbisch Hall neben den “üblichen” Themen wie Finanzierbarkeit und Verfügbarkeit jetzt zusätzlich auch von Themen wie Impfstatus und -stoff, Aufenthaltsort und Visa ab. Problematisch für Bad Königshofen sind die vielen russischen Spielerinnen auf der Meldeliste, da Russland auf der Liste der Corona-Hochrisikogebiete steht und der russische Impfstoff von der EU nicht anerkannt wird.
Die Tabelle vor den letzten drei Runden
Zuschauer sind in der Deizisauer Zehntscheuer nicht zugelassen. Nur Spielerinnen, Offizielle und die Betreuerteams dürfen im Spielsaal dabei sein. Da Schach als Sport eingeordnet ist, besteht für die Spielerinnen am Brett wenigstens keine Maskenpflicht. Für alle anderen Anwesenden besteht im Rahmen der Coronaverordnung in allen Innenräumen die Pflicht zum Tragen einer FFP2-Maske. Generell gilt wie inzwischen in ganz Deutschland die 3G-Regelung.
Eine Liveübertragung der Partien wird es nicht geben, allerdings wird es einen Blog auf der Seite des SK Schwäbisch Hall geben, in dem die Ereignisse auf und neben den Brettern live kommentiert werden, damit die vielleicht zweite deutsche Meisterschaft des SK Schwäbisch Hall nicht komplett unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet, was bei dem seit fast einem Jahr andauerndem Schachboom gerade im Internet schade wäre.
Update vom 1. September: es gibt eine Liveübertragung der Partien aus Deizisau, hier der Link bei Chess24. Weitere Infos auf der Seite der SF Deizisau. In diesem Fall wird es vermutlich keine zusätzliche Livekommentierung der Partien geben.