(Thomas Marschner)
Steffen Mages vom SK Schwäbisch Hall hat das erste Internet-Blitzturnier des württembergischen Bezirks Unterland bei Lichess gewonnen. Und man sieht: Internet-Schach boomt! Obwohl das Turnier vom Internet-Beauftragten des Bezirks nur mit 4 Tagen Vorlauf aus dem Boden gestampft wurde, konnte die Teilnehmerzahl gegenüber der 2019er Bezirks-Blitz-Einzelmeisterschaft letzten November direkt mal verdoppelt werden, obwohl 55 Teilnehmer auch da schon aller Ehren wert waren. Fast 100 Spieler gingen ins Rennen, darunter mindestens 2 Titelträger, nämlich die beiden für Heilbronn spielenden FMs Enis Zuferi und Petr Timagin.
Gespielt wurde 5-Minuten-Blitz im Lichess-Arena-Mode, und am Ende hatte Steffen, der unter dem lustigen Pseudonym “Mouthpocketdevourer” spielt, sehr wörtlich übersetzt Maultaschen-Verehrer, 2 Punkte Vorsprung vor Bastiphil und Echo2, deren reale Namen bisher noch im Dunkeln sind, die Heilbronner FMs waren es nicht. Alle Ergebnisse findet man hier. Die anderen Haller landeten im geschlagenen Feld. Thomas Marschner platzierte sich immerhin noch knapp hinter der Spitzengruppe als 17., Peter Schmitt und Mario Meinel belegten die Plätze 41 und 65.
Am selben Abend konnte man auf Lichess wieder eine DrNykterstein-Session verfolgen. Diesmal war sein “Opfer” Parham Maghsoodloo aus dem Iran, immerhin Junioren-Weltmeister von 2018. Von 118 Bulletpartien mit 1 Minute Bedenkzeit pro Partie pro Spieler gewann er 96. Für die Nicht-Eingeweihten: DrNykterstein ist das Lichess-Pseudonym von Weltmeister Magnus Carlsen. Insbesondere mit dem inzwischen in Frankreich lebendem 16-jährigen Supertalent Alireza Firouzja duelliert er sich regelmäßig auf Lichess, und Firouzja ist in den schnellen Disziplinen momentan der einzige, der mit Carlsen mithalten kann. Beim Chess24-Banter-Blitz-Cup (auf Deutsch “Geschwätzblitz”, das heißt, während der Partie kommentieren die Spieler ihre Züge live für die Zuschauer) gewann er sogar kürzlich im Finale 8,5-7,5 gegen Carlsen, 128 Spieler waren hier im KO-System am Start gewesen. Viele handeln den 16-Jährigen schon als zukünftigen Weltmeister, aber da werden natürlich Langpartien gespielt. Besonders faszinierend zu beobachten ist der Spaß am Schachspiel gerade bei den absoluten Topspielern, wenn zum Beispiel Weltmeister Magnus Carlsen an einem Abend über 100 Online-Partien spielt und eigentlich keiner Herausforderung aus dem Weg geht. Das unterscheidet die heutige Spielergeneration von früheren Generationen, in denen sich die Spitzenspieler oft eher aus dem Weg gingen und nur bei den Top-Anlässen gegeneinander antraten. Man stelle sich mal vor, Karpov und Kasparov blitzen nächtelang miteinander, und das nur 2 Tage vor Start eines Topturniers.
Am heutigen Samstag startet nämlich bei Chess24 das wohl höchstdotierte Online-Turnier aller Zeiten. 8 Spieler, darunter auch Carlsen (als Hauptorganisator des Turniers) und Firouzja, duellieren sich für 10 Tage im Schnellschach, es geht um einen Preisfond von 250.000$, allein der Sieger erhält 70.000$, hier ein Vorbericht mit einem Link, wo die Partien verfolgt werden können.
Man sieht also, das Schachspiel erlebt in Corona-Zeiten ein regelrechten Boom auf den unterschiedlichen Online-Plattformen, und auch die deutsche Presse zieht mit: DrNykterstein schaffte es am Dienstag in den Sportteil der FAZ. Es bleibt zu hoffen, dass der Boom auch nach der Coronakrise anhält, wenn man sich hoffentlich irgendwann wieder Auge in Auge am Brett gegenüber sitzen kann.