Seit heute läuft das Katar-Open, seines Zeichens das stärkste Open des Jahres, wenn nicht überhaupt das stärkste Open, das es je gab. Teilnehmer sind unter anderem die ersten 3 der Weltrangliste: Weltmeister Magnus Carlsen, Exweltmeister Vladimir Kramnik und Anish Giri aus den Niederlanden. Und gegen keinen geringeren als den Weltmeister wurde in der ersten Runde die Haller Spitzenspielerin Nino Batsiashvili aus Georgien, noch am Nikolauswochenende in der Frauenbundesliga in Schwäbisch Hall im Einsatz, gelost. Und Nino schaffte die Überraschung: ihr gelang mit Schwarz ein sensationelles Remis gegen den haushohen Favoriten.
Carlsen spielte wie so häufig die Eröffnung unorthodox: es kam ein Wolga-Gambit mit vertauschten Farben aufs Brett. Gegen das Wolga-Gambit hat Nino so ihre Erfahrungen: in der letzten Bundesligasaison gewann sie schnell gegen Adriana Nikolova, bei der Europameisterschaft verlor sie gegen die spätere Europameisterin Natalia Zhukova genauso schnell. Selbst gegen den Autor stand das Wolgagambit bei der ein oder anderen Blitzpartie schon auf dem Brett, wer da normalerweise gewann, ist klar.
Aber heute hielt sie die Partie lange Zeit im Gleichgewicht und stand nur wenig schlechter. Auch in einer typischen „Carlsen-Stellung“, in der der Weltmeister ein leicht vorteilhaftes Endspiel hatte, behielt sie die Nerven und zeigte ihre überragenden Endspielfähigkeiten. Carlsen ließ noch eine Zugwiederholung aus, aber auch das half nicht mehr. Nino versuchte sogar einige Züge selber noch auf Gewinn zu spielen und wickelte am Ende in ein Springerendspiel ab, in dem dann für beide Seiten nichts mehr ging. Die Partie kann unter anderem hier bei Chessbomb nachgespielt werden, sogar mit Kommentar. Interessant hier: Chessbomb markiert „schwächere“ Züge in der Computerbewertung in verschiedenen roten Abstufungen, und in der Partie gab es keinen einzigen „roten“ Zug.
Die Partie konnte (wie alle Partien aus Katar) live im Internet verfolgt werden. Dabei war natürlich die Partie des Weltmeisters ein Schwerpunkt in der Kommentierung. Die Livekommentatoren Peter Svidler (er kommentierte auch schon die WM) und Alejandro Ramirez (von ihm gibt es interessanterweise zwei herausragende Eröffnungs-DVDs über das Wolga-Gambit bei Chessbase) zeigten sich begeistert von Ninos Vorstellung. Mehr oder weniger wörtlich sagte Svidler nach Partieende: „Nino is our superhero today, this was a very impressive game, she even went for a win with 46. …g5 and did not lose her head when the position was eventually equal“.
Nino am Niklauswochenende in Schwäbisch Hall – etwas nachdenklich vor ihrer Partie gegen die Deizisauerin Cristina Foisor, die sie dann aber gewann
Die anderen Haller Damen am Start verloren in der Auftaktrunde gegen ebenfalls übermächtige Gegnerschaft, Bela Kotenashvili wehrte sich aber lange Zeit gegen Exweltmeister und die aktuelle Nummer 2 der Welt Vladimir Kramnik.
Die nächsten Runden werden kaum keine leichteren Gegner bringen: allein 20 Teilnehmer haben eine Elozahl über 2700, aber den heutigen Tag wird Nino sicher so schnell nicht vergessen. Ein Wiedersehen mit ihr in den Farben von Schwäbisch Hall gibt es in den nächsten Bundesligarunden, wenn es ab Ende Januar um die deutsche Meisterschaft geht.